Freunde des klassischen Motorsport

… wie man im Mercedes SL (107er Baureihe) schneller auf Drehzahl kommt als mit dem Morgenkaffee.

In einer wunderbar skurrilen Symbiose aus Leidenschaft für historische Fahrzeuge und dem Drang diese sportlich zu bewegen, entführt Nervenkitzel die 107er-Motorsportgruppe regelmäßig aus der Tristesse des Alltags. Es geht dabei nicht um materialmordende oder riskante Fahrmanöver, sondern vielmehr darum, sich am schnellen Fahren oder an der Rennsporttechnik in Oldtimern zu erfreuen.

Egal ob Du dem Spektakel zuschauen oder im eigenen Klassiker auf der Rennstrecke bis an die Grenzen deines Nervenkostüms oder der Traktion fahren möchtest, bist du eingeladen in den Adrenalin-Härtetest reinzuschnuppern. Selbst wenn dein Klassiker so viele Jahre auf der Karosse hat, dass sich die Erinnerungen an Boxenluder zunehmend im Rückspiegel abspielen, oder ob du deinen Oldtimer wie den ersten Liebesbrief verwahrst, entscheidend ist dein Spline mal beherzt über Curbs bügeln zu wollen. Eine Rennlizenz wird nicht benötigt, eine Prise Unvernunft reicht völlig (Kontakt: motorsport@107sl-club.de).

Puristische Oldtimerrennen sind wie braten in einer Stahlpfanne ohne Teflon. Öl & Temperatur sind entscheidend, um Rauch und unappetitliche Ergebnisse zu vermeiden.

Die Eleganz eines 107er auf der Rennstrecke wirkt dabei zugegeben wie ein Gourmet Filet auf einem Pappteller inmitten dem frittierten Chaos einer Pommesbude. Genau aber wie ein Dry Aged Beef, reift auch ein SL/SLC bei trockener Lagerung und so wie sich unter der Bark ein intensiveres Aroma findet, kann auch der 107er unter seiner Patina durchaus Sportlichkeit entfalten, was seine beachtliche Vita beweist.

Die 70er Jahre waren für Daimler-Benz sportlich wie eine kulinarische Weltreise im Schlaraffenland. Auf der Speisekarte standen der 450 SLC 5.0 und der 500 SLC, welche vergleichbar mit exotischen Gewürzen, die entscheidenden Nuancen im Rallyesport setzten. Die Rennfahrzeuge waren mit allem verziert, was ein Spitzenkoch an Zutaten benötigt – Fernscheinwerfer, Fahrwerk, Scheinwerfergitter, Schalensitze, Käfige oder z.B. mit einer zusätzlichen Benzinpumpe für den großen Durst.

Die Rallye-Teams siegten unter dem Sterne-Koch Erich Waxenberger und genau wie bei manchen Piloten ist eine zu gute Küche die größte Herausforderung bei der erforderlichen Gewichtsreduktion um 230 kg. Der 450 SLC 5.0 setze deshalb auf einen 5,0-Liter-V8-Block aus Aluminium (240 PS) sowie eine Motorhaube und Karosserieteile aus Leichtmetall.

Die Sindelfinger Großküche ermöglichte zur Rallye-Weltmeisterschaft 1978 aus der 450-Serie eine Delikatesse zu homologieren. Davon wurden ab 1977 nur 19 Stück im Renneinsatz kredenzt, wobei sieben mit einem speziell entwickelten, kurz übersetzten Automatikgetriebe garniert waren. Die höher gelegte Karosserie war das Sahnehäubchen einer besonderen geschmacklichen Kreation.

Als Star der Langstreckenrallye „Vuelta a la América del Sud“ siegte das Oberklasse-Coupé 1978 nach ca. 29.000 Kilometer strapaziöser Fahrt, rund 7.000 Kilometer davon waren auf Schotter. Mit seiner „panzermäßigen Standfestigkeit“ (Norbert Haug) waren die 107er nahezu unschlagbar.

1979 gab der 450 SLC 5.0 mit gesteigerter Kalorienzahl von 290 PS sein Renndebüt zur Bandama Rally Côte an der Elfenbeinküste (ca. 5.500 km). Jeder Kilometer auf der East-African Safari-Rallye (1979) oder der Marlboro Safari Rallye (1980) glich einer Geschmacksexplosion. Der 500 SLC wurden in der letzten Entwicklungsstufe von 1980 – 1981 dann endgültig zur Haute Cuisine bei rauen Langstreckenrallyes.

Während die Konkurrenz in den 80er-Jahren, vergleichbar einem Schnellkochtopf, auf Turbomotoren setzte, plante Walter Röhrl schon ein 107er-Menu mit Mittelmotor und Allrad, welches 1983 auf der Speisekarte debütieren sollte.

Waxenbergers letztes „unveröffentlichtes Gericht“ hingegen war das leichtere SL-Cabrio mit kürzerem Radstand und mit der bereits beim 500 SLC verbauten Viergangautomatik. Diese kuppelte zwar automatisch, die Gänge musste der Fahrer aber selbst einlegen. Das 80prozentige Sperrdifferenzial sollte dem 500 SL in engen Kehren helfen die üppige Leistung agil auf die Fahrbahn zu zaubern. Anderes als für Langstreckenrallyes, beschied Röhrl dem 500er trotzdem kurz vor der Monte 1981 wenig Siegchancen.

Bei Mercedes in Waiblingen brutzelten zu dieser Zeit 50 Mitarbeiter am 500 SL (320 PS, 417 Nm) und merkten schnell, dass die Liaison mit dem WM-Team Röhrl/Geistdörfer verkohlt war.

Am Ende bleibt alles eine Frage des Blickwinkels: im direkten sportlichen 1:1 Duell des 107er mit Röhrl’s Konkurrenz aus Ingolstadt wäre dessen neuer Vierbeiner wohl Vorletzter geworden, während der SL einen „sensationellen“ 2. Platz belegt hätte. Vorahnung genug für Mercedes, dem SL das Licht in der Rallyeküche auszuknipsen.

Doch dann kam der 450 SLC 5.0 wie ein Trüffel in’s Land der Big-Mac’s, oder besser gesagt der Big Blocks.

Während der Grand Tourer eher mit Eleganz und Raffinesse überzeugte, setzten amerikanische Fast-Food Muscle-Cars auf kraftvolle Performance.

In den 80ern war die puristische US-Rennszene heißer als eine aufgemotzte Holley-Vergaserdüse auf dem Laguna Seca Raceway. DeAtley Motorsport verpasste dem 450 SL ein Up-grade, dass nicht nur das Michelob Bier in der Hand Sindelfinger Sterneköche schäumte. Der soufflierte 107er Silhouetten-Rennwagen war durch seine Stahlrohr-Spaceframe-Chassis und eine aufgesetzte Fiberglas-Widebody-Karosserie „Super Leicht“. Ungewöhnlich für die Big-Mac’s, musste der 5-Liter-V8 für die Trans-Am-Regeln eine Diät auf 4,5 Liter machen. Die Gourmet-Gaumenfreuden der acht Zylinder wurden von zwei Holley-Vergasern betankt, weshalb die Bosch-Einspritzanlage dem Hulk-Komplex zum Opfer fiel. Die offenen Trichter des Motors saugten Luft so gierig an, dass die Motorhaube einen Powerdom in Übergröße bekam. Das Understatement des 107 war damit verkocht.

45 Jahre später hat der 107er noch die gleichen Gene und das Alter schützt bekanntlich nicht vor Geschwindigkeit. Da Rückspiegel kleiner sind als Frontscheiben, immer nach vorne schauen, insbesondere wenn man zügig mit Oldtimern unterwegs ist.

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