Das Liebesdrama vom SL „Isabell“ & dem SLC „Ricky“
1. Akt: „Herzrasen“
Reden ist Silber und Bilder sind Gold. Die amouröse Handlung des Theaterstücks wurde in einem Comic visualisiert, wie bei Netflix für Legastheniker. Getreu dem Motto ‚Liebe vergeht – PS besteht‘ begleiteten uns die beiden Protagonisten Isabell und Ricky durch das Herbsttreffen. Eine Romanze spannender als ein Tinder-Date.

Isabell, die ängstlichen SL-Kuschelkarosse mit einem bei Beifahrern bekannten Angstkomplex. Man kennt diese Hosenpupser, die sich in Kurven an die Türgriffe klammern wie bei der Apollo 13-Notlandung.
Ricky hingegen gleicht einem Schaf im Wolfspelz, Typ SLC-Ludensänfte. Er brillierte in der Oberstufe im Leistungskurs „Selbstüberschätzung“. Dass seine Pedalpeitscherei in der Stilllegung enden musste, ist wenig verwunderlich.
2. Akt: Striptease im Schraubertempel
Für die künstlerische Umsetzung der Geschichte mit realen Autos musste im Vorfeld ein passender SLC-Altblechrenner im Rosthaufen gefunden und kostümiert werden.
Da alte Karossen auf Schrottplätzen leider keine Seltenheit sind gelang dies schnell. Beim Betrachtung wurde klar: auch mit Antidepressiva wäre mit einer Restauration vom Schimmel zu Schimmer mehr Kohle weg als mit einer Grubenlore.

Witze gab es gratis, dazu noch Blechhumus auf dem Level von ästhetischer Lochfraßkunst und blühende Altmetallakne am kompletten Unterboden.
Einige Scheiben haben einen auf David Copperfield gemacht – sie waren verschwunden; und aus den Sitzen stachen mehr Federn heraus als aus dem Fritteusendunst bei KFC. Dass die Blechhaut mehr Wellen als die Küste von Hawaii aufwies war dabei das kleinste Problem. Das alte Kolbenorchester hatte mehr Ölverlust als Kojak Haarausfall. Außer der roten Herzklappenkontrollleuchte war kein Licht mehr am Ende des Tachotunnels, denn die Elektrik machte Sabbatical.
Das Fahrzeug war bis zur Erlöschung der Betriebserlaubnis vergammelt und wurde somit zum desolaten Stehzeug. Trotz Wiederbelebungsversuche mit dem Defibrillator in der Schrauberstube war kein Puls mehr messbar. Das Schnaufwerk und alles Verwertbare wurde deshalb zur Organspende freigegeben. Der folgende Blechkleid-Striptease war umständlicher, als im Baumarkt jemanden zu finden der zuständig ist. Aber nach etwas liebevoller Gewalt ließ der SLC dann doch einvernehmlich alle Hüllen fallen. Die Frontlampen ersetzten Attrappen aus Alufolie und Plexiglas, weniger Schein als Werfer. Die Alubordsteinteller wurden gegen bedruckte Pappe ausgetauscht, wobei die alten Schlappen an einen Romantiker auf Tinder erinnerten – kein Profil sagte zu.
Zum Schluss wurden noch die verchromten deutschen Knautschbalken durch verbeulte US-Hornfänger ersetzt.
Der scheckheftfreie und unfallgepflegte SLC war zwar noch Kulturgut – nur ohne „Gut“. Als Statist im Theaterensemble stand ihm aber noch der entscheidende Bühnenabgang bevor.
3. Akt: Tonspur-Werkstatt
„Herzrasen“ ist ein automobiles Puppentheaterstück, bei dem der Hauptdarsteller trotz vorbildlicher CO2-Bilanz mehr auf‘s Maul bekommt als vom Airbag bei einer Frontalkollision. Das Theaterstück musste eingesprochen werden, zusätzlich brauchte es einen Titelsong. Die Aufnahmen ähnelten zwischenzeitlich einem Studio-Sudoku, aber unsere Muse Silke von Durchewski zauberte aus dem Tonspur-Tetris die gewünschte Vertonung.
Belohnung gab es danach im Hopfenhort unseres Vertrauens, wo sächsische Braukunst wie das flüssige Evangelium im Gersten-Eden geheiligt wurde.
4. Akt: Puppen-Palais mit Pomp
Nachdem die Geschichte und der Song im Kasten waren, brauchte es zur Aufführung noch eine Bleifußbühne mit Vorhängen und Kulissen. Die Konstruktion und der Bau endeten perfekt wie französischer Butterkuchen – mächtig und aller erste Sahne. An den Kulissen wurde mehr rumgeschraubt und gefummelt als in der letzten Reihe im Kino.

5. Akt: Das Licht der Bühne erblickt
Die Uraufführung des Theaterstücks und des RT 04 Lieds bewiess Ohrwurm-Potenzial. Das Dopaminorchester spielte am Anschlag, nicht perfekt – aber mutig.
6. Akt: Die Hautdarsteller im Original
Zur Aftershow des Theaterstücks zeigten sich Backstage auch die Schauspieler. Isabell, leicht & sexy wie sonst nur in Row Zero oder abends vor der Hafenkneipe anzutreffen. Ricky, der sich als Rennauto identifiziert und wie ein Pressluftschrauber auf Testosteron brüllt. Kein Schlag bei Schrauben, aber bei Frauen.
Von der Bühne sind die Puppen als reale 107er beim Herbstreffen angekommen und zusammen mit den Teilnehmern bereit zur sachgerechten Oktanvernichtung.

7. Akt: Scharfe Kurven mit Isabell & Ricky
Nach dem Kolbenweckruf und Benzinbrunch startete die Schleichparade; am zweiten Tag auch ohne Wolkenpipi. Verliebt fuhren die beiden 107er die zwei Bergtouren zum Schloss Wildeck bzw. zur „ZeitWerkStadt“ in Frankenberg mit. Rickys Farbgebung war dabei so unauffällig wie eine Vuvuzela in der Bibliothek.

Während autonome Neuwagen Emotionen mit Sensoren simulieren, waren die 107er klassisch analog unterwegs und dies, ohne vor dem Anlassen eine Datenschutzerklärung akzeptieren zu müssen. Wer auf selbstfahrende Fahrzeuge steht, verbindet auch die Zahnbürste mit dem WLAN. Als der 107er gebaut wurde, war „Windows hochfahren“ aber noch eine Anweisung an den Beifahrer. Für die Kurvenschnipseljagd gab es beim Herbstreffen akribisch geschriebene Roadbooks. Navis sind wie Gesellschaftsspiele für die Familie – TABU.
8. Akt: Die Letzte Ölung
Ricky’s spektakulärer Abgang von der Bühne sollte durch die Presse gehen. Am Ende des zweiten Tages trafen sich beide Touren bei der Autoverwertung – dem Waterloo für Autoliebhaber.
In der Alteisenoase lag der süße Geruch von verbranntem Oktan über den Blechkadavern und die rektale Wolkensuppe des Hauptdarstellers Ricky räucherte den Blechwald zusätzlich ein. Die Lunge tanzt Polka – Qualm mit feinstem CO2 angereichert und Schadstoffpartikel so groß wie Tennisbälle. Die Wiederbelebung von Ricky war aussichtsloser als das RB Leipzig Anerkennung von Ultras bekommt.

Die Rollblechkathedrale läutete das letzte Halleluja für Ricky ein. Im finalen Akt „Die Transformation 107“, formte die sakrale Autopresse ein neues Kulturgut. Reinkarnation „quadratisch, praktisch, gut“ und auferstanden aus Altmetall bzw. aus Ruinen. Die Dornenkrone mit Teerung und Federung war für diesen brachialen Akt garantiert.

9. Akt: Tombola für den guten Zweck
Zur abendlichen Tombola wurden nicht nur die Lose prämiert, sondern auch die Quizfrage nach dem Gewicht des gewürfelten Rickys. Wer bei 519 kg lag, hatte gewonnen.
10. Akt: Wenn der letzte Vorhang fällt, beginnt das Affentheater
Das Kulturprogramm polarisierte mit dem letzten großen Auftritt von Ricky und bediente so das Narrativ vom Mercedesfahrer auf Instagram. Einige Kommentare erforderten den IQ einer Ablassschraube.
11. Akt: Papier gewordene Gedächtnislücken
Für alle, die mehr als nur den Bilderbuch-Comic zum Theaterstück lesen wollen, gab es den Inbegriff von Kultur – ein dickes Buch mit 107er Geschichten. Die Autoren rechnen dafür berechtigt mit dem Pulitzer-Preis. Auf 250 Seiten werden die Gedächtnislücken zu den Ausfahrten der letzten 20 Jahre geschlossen. Natürlich nicht ohne einen Auftritt von „Ricky und Isabell“.
12. Akt: Theater für besonders Schaulustige
Für das 107er-Puppentheater geht es nach dem Herbstreffen weiter. Auch dieses Jahr lud der Club Copiloten mit geistiger Behinderung zu einer Ausfahrt ein. Mehr als Zufriedenheit geht nicht und dabei helfen gemeinsame Aktivitäten wie unsere Ausfahrten „Sterne für besondere Bedürfnisse“ und die Aufführung des Puppentheaters „Herzrasen“ ungemein.
Teilweise haben Teilnehmer am Straßenverkehr deutlich größere Defizite und manchmal diagnostiziert man die Symptome der eigenen Touretteerkrankung. Eingeschränkte Selbstbestimmtheit und begrenzte Gespräche kennen einige auch aus langjährigen Ehen, da gilt es auch, den Humor nicht zu verlieren.
Der Sonnenschein ist für alle gleich schön, egal welche Fähigkeiten wir haben oder welche fehlen. In diesem Sinne, einfach mehr über die eigenen Unzulänglichkeiten lachen.